Jeffrey A. Brown: Batman and the Multiplicity of Identity. The Contemporary Comic Book Superhero as Cultural Nexus.

New York, London: Routledge 2018. ISBN 9781138302853. 226 S., Preis: £ 88,00.

Autor/innen

  • Simon Born

Abstract

"Always be yourself. Unless you can be Batman, then always be Batman." (Tagline zu The Lego Batman Movie, 2017) DC Comics' dunkler Ritter zählt zu den bekanntesten und profitabelsten fiktionalen Charakteren weltweit. Ein Grund für Batmans langanhaltende Beliebtheit liegt in seiner archetypischen Konzeption, die über die Jahrzehnte eine immense Vielzahl an verschiedenen Interpretationen und Medienadaptionen ermöglichte. Für Jeffrey A. Brown stellen Batmans multiple Identitäten potenzielle Zugänge zu verschiedenen kulturellen wie gesellschaftlichen Diskursen dar: "What, for example, does the modern Batman reveal about current racial issues, sexual identities, and gender politics?" (S. 12). Seine Untersuchung von überwiegend comicbasierten Iterationen der Figur bündelt bestehende kulturwissenschaftliche Perspektiven auf den Fledermausmann und ergänzt sie durch gegenwärtige Comic-Beispiele seit den DC-Relaunchs 'The New 52' (2011-2016, DC Comics) und 'DC Rebirth' (2016-2017, DC Comics). Eine kenntnisreiche und inspirierende Studie, die mit zahlreichen Tropen und Konventionen der Figur wie auch des Superheldengenres aufräumt, in Anbetracht der überwältigenden Materialfülle jedoch oft nur an der Oberfläche der komplexen Thematik kratzt.

Browns Arbeit folgt einer klaren Struktur: Nach einer kurzen Einleitung stellt der Autor im folgenden Kapitel 'Batman and Multiplicity' seinen grundlegenden Ansatz zur Vielseitigkeit der Figur vor. Grundlage bildet der von Henry Jenkins in seinem einflussreichen Aufsatz Just Men in Tights: Rewriting Silver Age Comics in an Era of Multiplicity (erschienen in The Contemporary Comic Book Superhero, hg. v Angela Ndalianis, New York/London 2009, S. 16-43) geprägte Begriff der multiplicity. Dieser beschreibt eine selbstreflexive Tendenz in modernen Superheldengeschichten, in der verschiedene Versionen desselben Franchises gleichzeitig rezipiert werden und ein intertextuelles Netzwerk bilden: "Meaning becomes layered on top of variations, and continuity is derived through a ready acceptance of multplicity." (S. 29) Wie auch andere Superheldencomics bewegt sich Batman in einem Spannungsfeld zweier Extreme: Auf der einen Seite steht die Kanonisierung von Erzählsträngen, Ereignissen und Charaktereigenschaften, die die vom Verlag streng überwachte, bindende Continuity des Superhelden und seiner Storyworld ausmacht und sie vor auftretenden Unstimmigkeiten bewahrt. Auf der anderen Seite steht die Diversifikation der Figur in alternativen Erzähluniversen, die entweder innerhalb des DC-Multiversums zu übergreifenden Crossover-Events konvergieren oder als einmalige 'Elseworlds'-Geschichten bekannte Superheldenerzählungen in fremde Zeit- und Genresettings transponieren. Diese Variationen werden zwar meist nicht dem Kanon zugerechnet, doch erweitern sie das übergeordnete Bild des Superhelden und ermöglichen neue Lesarten. So zählt Frank Millers The Dark Knight Returns (1986, DC Comics) zu einem der prägendsten Batman-Comics aller Zeiten, doch wird die in der Zukunft der Figur angesetzte Geschichte nicht als Teil der offiziellen Batman-Continuity angesehen.

In einem Abriss der wesentlichen Inkarnationen innerhalb von Batmans mittlerweile 80-jähriger Mediengeschichte stellt Brown die verschiedenen transmedialen Passagen des Superhelden im Kontext ihrer produktions- und zeitgeschichtlichen Entstehung gegenüber –  erweitert durch einen Ausblick auf durch Batman inspirierte Nachahmer, Doppelgänger und Parodien erster und zweiter Ordnung sowohl in DC Comics wie auch in anderen Comicverlagen. Dass diese gegensätzlichen Identitäten und Storyworlds dennoch alle als Batman erkannt werden, liegt für Brown an Batmans paradoxem Wesen, zugleich extrem flexibel wie auch fest umrissen zu sein. Der Argumentation von Roberta Pearson und William Uricchio in ihrer bahnbrechenden Arbeit The Many Lives of the Batman: Critical Approaches to a Superhero and His Media (New York 1991) folgend bilden bestimmte Schlüsselkomponenten für Brown den kleinsten gemeinsamen Nenner der Figurenkonzeption, zu denen Batmans Geheimidentität als Milliardär Bruce Wayne und der tragische Mord an seinen Eltern gehören, sein ikonografisches Fledermauskostüm, seine Ausrüstung und Fertigkeiten, die Stadt Gotham City sowie das wiederkehrende Figurenensemble aus Verbündeten und Feinden. Daraus setzt sich für Brown eine Art Proto-Batman zusammen ('Batman Prime'), der ausgehend von den Comics der 1980er Jahren Batman als düsteren, ernsten und erbarmungslosen Vigilanten einer dystopischen Ausnahmegesellschaft zeichnet. Alle anderen Versionen würden sich an dieser Schablone abarbeiten, indem sie das Bild des Batman Prime bestätigten, variierten, invertierten, karikierten oder ganz aufgäben.

Dieses verlockende Konzept des Batman Prime als Basis-DNA der Figur stößt jedoch an seine Grenzen. Pearson und Uricchio selbst scheinen diesem Konzept zu widersprechen, wenn sie Batman als 'floating signifier' bezeichnen, der weder durch einen bestimmten Autor, noch durch eine spezifische Zeitepoche oder einen Primärtext definiert ist. Der 'dark and gritty'-Batman stellt zwar die gegenwärtig dominante Lesart der Figur dar, doch ist sie nicht die endgültige. In seiner Untersuchung Hunting Down the Dark Knight Knight: Twenty-First Century Batman (London/New York 2012) macht Will Brooker darauf aufmerksam, wie im Kampf um die Deutungshoheit des dunklen Ritters die multiplicity der Figur durch einen offiziellen Kanon heruntergespielt wird, der eine bevorzugte Lesart der Figur über andere Versionen favorisiert, die nicht den Interessen der Produzent*innen und den Vorlieben des Publikums entsprechen. Im Herzen dieser Hierarchie aus Batman-Texten stehe für Brooker die binäre Opposition zwischen dem dunklen und humorlosen Vigilanten und einem fröhlichen, spielerischen und bunten Batman, die sich in einem konstanten Dialog befänden.

Zusätzlich zu den von Pearson und Uricchio aufgezählten Merkmalen definiert Brown seinen Batman Prime über implizite Merkmale: "The baseline Batman Prime is also 'pinned down' as a rich, white, heterosexual, American male in his 30s. It is these implicit characteristics of Batman (and most superheroes) that naturalize a persistent valorization of racial and gendered privilege" (S. 28). Diese Erkenntnis bildet die Grundlage für die weiteren Kapitel des Buches. Ausgehend von Pearsons und Uricchios Beobachtung, dass Batman als rechtschaffener Verbrechensbekämpfer und Bewahrer des gesellschaftlichen Status quo extratextuell die dominante hegemoniale Ordnung unterstütze, betrachtet Brown den dunklen Ritter als fiktionale Verkörperung des Konzeptes der hegemonialen Männlichkeit nach R. W. Connell und J. W. Messerschmidt ("Hegemonic Masculinity: Rethinking the Concept". In: Gender & Society 19/6, Dezember 2005, S. 829-859), die die Dynamik einer sozial übergestellten Position von Männern über Nicht-Männer beschreibt: "Batman is an idealized heroic figure who conforms to a very traditionally privileged social category. While Batman may be the toughest, smartest, and most determined alpha-male in a fictional world filled with super-men and wonder-women, in his civilian guise as Bruce Wayne, he is also conventionally portrayed as an able-bodied, white, heterosexual, male billionaire." (S. 80)

Entsprechend setzt sich das dritte Kapitel 'Batman and Sexuality' mit den verschiedenen Variationen auseinander, in denen Batman sich mit sexueller Repräsentation auseinandersetzt. Von der queeren Lesart des dynamischen Duos aus Batman und Robin über die hypermaskulinen und hyperfemininen Darstellungen des Dunklen Ritters und seinen weiblichen love interests und femme fatales (insbesondere Catwoman) beleuchtet Brown an einer Reihe von Beispielen offene Anknüpfungspunkte für homo- und heterosexuelle Interpretationen. Das vierte Kapitel 'Batman and Sons' begegnet Batmans Rolle als sowohl symbolische wie auch tatsächliche Vaterfigur innerhalb seiner Bat-Family aus Sidekicks und (Ersatz-)Söhnen, denen er seine über alle Zweifel erhabene, hegemoniale Ideologie aus Gerechtigkeit und sozialer Verantwortung aufdrückt. Wie das Beispiel seines leiblichen Sohnes Damian Wayne zeigt, der heimlich von der Schurkin Talia al Ghul zum Assassinen ausgebildet wird, steht der väterlichen Ordnung in Superheldengeschichten sehr oft das Klischee der bösen Mutter gegenüber, die Unordnung und Gefahr birgt: "The subsequent struggles over Damian's allegiance with either Batman's paternalistic authority or Talia's maternal symbolic authority represent an ideological struggle […] with a clear preference for the Law of the Father" (S. 84).

Das Kapitel 'The Batwomen' verfolgt die bewegte Geschichte der beiden Frauenfiguren Batgirl und Batwoman, die zwischen sexualisierten Stereotypen, Reflexionen progressiver Genderrollen und den Herausforderungen der männlichen Welt von Batman stehen. 'The Other Batmen' (Kapitel Sechs) betrachtet anschließend ethnische und postkolonialistische Fragestellungen innerhalb des Batman-Universums. Die Idee, dass Batman seine kämpferischen Fertigkeiten bei seinen Reisen durch den exotischen Osten erlernte, wird im Sinne des Orientalismus-Diskurses als kulturelle Appropriation identifiziert, während in aktuellen Storylines über Batmans weltweite Rekrutierung von ausländischen Verbrechensbekämpfer*innen in Grant Morrisons Batman Incorporated (2010-2013, DC Comics) unbewusste neokoloniale Untertöne ausgemacht werden: "The cumulative result of Batman's appropriation and colonization of Otherness is a strained attempt to incorporate diversity within the character's fictional world, and an unintended perpetuation of America's assumption of normative whiteness as the pinnacle of achievement" (S. 143). Dagegen werden mit den Batman-Protegés Batwing und The Signal afro-amerikanische Perspektiven in die Welt des Superhelden eingeführt.

Kapitel Sieben setzt sich mit Batmans dunkler Seite auseinander und seinem manichäistischen Kampf gegen seine Doppelgänger-Schurken wie auch seinen Superheldenkollegen Superman, wobei in der binären Gegenüberstellung von Gut und Böse Batmans liminale Rolle als Held, Antiheld und Schatten noch stärker hätte ausgebaut werden können. Im letzten Kapitel 'I'm the Goshdarn Batman! ' steht die ungewöhnliche Darstellung des dunklen Ritters als kleine, niedliche Gestalt im Geiste der japanischen 'kawaiii'-Ästhetik etwa in Comicbuchreihen wie Lil' Gotham (2012, DC Comics) oder der Zeichentrickserie Teen Titans Go (seit 2013, Cartoon Network) im Vordergrund, die das Bild des düsteren, allmächtigen Vigilanten konterkariert. Abgerundet wird das Kapitel mit einer kurzen Betrachtung des The Lego Batman Movie, in der subversiv Batmans hegemoniale Männlichkeit sowie seine überdramatische Ernsthaftigkeit und Hypervirilität der Lächerlichkeit preisgegeben wird.

Am Ende bleibt Browns Buch ein Fazit schuldig, das alle Gedankenstränge des Buches zusammenfasst und einen Ausblick in die Zukunft wagt. Batman and the Multiplicity of Identity macht den Eindruck einer Aufsatzsammlung, die sich zwar an manchen Stellen zu wiederholen droht, im Ganzen jedoch ein erfrischendes Kaleidoskop kulturwissenschaftlicher Analysen gegenwärtiger Batman-Comics bildet, das durch tiefe Materialkenntnis besticht und vor allem durch die Fokussierung oft vernachlässigter Nebencharaktere überzeugt.

Autor/innen-Biografie

Simon Born

Simon Born studierte Mediendramaturgie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und promoviert derzeit über Todesbilder in aktuellen TV-Serien. Autor von zahlreichen Artikeln und Besprechungen u. a. für Screenshot, NEGATIV, epd Film und kinofenster.de. Zu seinen Forschungsinteressen zählen serielles Erzählen, Transmedialität, Filmmusik sowie die Geschichte und Theorie der Komödie.

Aktuelle Publikationen:

Simon Born: Die Marx Brothers und die Commedia dell’arte. Baden-Baden 2019.

Simon Born: "Die Komödie". In: Handbuch Filmgenre. Geschichte, Ästhetik, Theorie.  Hg. v. Marcus Stiglegger. Wiesbaden 2017, Online-Publikation.

Simon Born: "Shadows of the Bat: – Constructions of Good and Evil in the Batman Movies of Tim Burton and Christopher Nolan". In: JRFM - Journal for Religion, Film and Media 03/01, Mai 2017, S. 75-104.

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Veröffentlicht

2019-11-19

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Film