Christoph A. Büttner/Felix Raczkowski (Hg.): Magnetwand, Monitor, Meme. Büroarbeit und ihre Medien. AugenBlick Nr. 89, 1/2024.
Marburg: Schüren 2024. ISBN: 978-3-7410-0472-8. 134 Seiten, 12,90 €.
DOI:
https://doi.org/10.25365/rezens-2024-2-07Abstract
Das Heft Magnetwand, Monitor, Meme. Büroarbeit und ihre Medien widmet sich der komplexen Arbeitsumgebung Büro und fokussiert die Strukturen sowie die medialen (Möglichkeits-)Bedingungen der dort vollzogenen Arbeit. Mit dezidiert medienkulturwissenschaftlicher Perspektive geraten dabei die medialen Voraussetzungen gegenwärtiger Büroarbeit ebenso in den Blick wie die vielschichtig machtvolle Verfasstheit seiner Umgebung. Das Büro erscheint dabei als ein "hybrider Ort" (S. 18), in dem sich komplex verschiedenste Wissensbestände versammeln. Gedacht wird das Büro hier als ein relationales Gefüge, in dem sich menschliche und nicht-menschliche Akteur*innen verknüpfen, das gleichzeitig als "symbolischer […] Raum fungiert" (S. 8) und Wirksamkeiten entfaltet. Es gerät so als eine "Verbindung […] von materiellen und sozialen Praktiken" (S. 8) in den Blick. Diese theoretische Annäherung an das Büro greift dabei auf medienkulturwissenschaftliche Theoriebildung der vergangenen Jahre zurück.
Zentral sind für den in der Reihe AugenBlick. Konstanzer Hefte zur Medienwissenschaft erschienenen Band mithin die "Medien des Büros" (S. 6), jene Medien(-technologien), die das Büro durchziehen und die dort ausgeführte Arbeit immer schon vielfältig unter Bedingung setzen. So beschäftigen sich die Beiträge des Bandes beispielsweise mit Medien der Kontrolle im Kontext von Arbeitsumgebungen.
In ihrer Einleitung zum Heft verweisen Christoph A. Büttner und Felix Raczkowski auf die bisher geringe Aufmerksamkeit medienwissenschaftlicher Forschung für das Büro und seine Medien. Das Heft soll daher einen Beitrag dazu leisten, diese Lücke zu schließen (vgl. S. 6). Der Band fokussiert auch die in diesem Kontext wirksamen Politiken, fragt nach den Ein- und Ausschlüssen, die das Büro als "Regierungstechnologie" (S. 10), die wiederum selbst "Regierungstechnologien geformt und popularisiert" (S. 10) hat, ins Spiel bringt und plausibilisiert. Der Büroarbeit der Gegenwart und den damit verbundenen Medien nähert sich der Band weniger abstrakt-theoretisch an "als vielmehr auf einer […] gegenstandsorientierten, analytischen Ebene" (S. 9). In sechs interdisziplinären Beiträgen aus Medienwissenschaft, Soziologie und Architektur fragt der Band nach den "verschiedenen Verfasstheiten des Büros" (S. 18) in der Gegenwart, nimmt seine "Seinsweisen" (S. 18) in den Blick, fokussiert seine Medien und die in ihm vollzogene Arbeit.
Anja Breljak fragt im Beitrag "Hybride Arbeit, Neue Medien. Modi behavioreller Macht in medialen Arbeitsumgebungen" (S. 21–35) danach, wie sich die Kontrolle von Arbeit ausgestaltet und vollzieht, wenn der Ort, an dem sie verrichtet wird, kein "kollektiver […] der Präsenz" (S. 22) mehr ist. Mit genealogischer Perspektive widmet sich der Aufsatz der Frage nach der Kontrolle von Arbeit. Deren gegenwärtige Krise in digitalen Umgebungen hybrider Arbeit, so wird gezeigt, zieht wiederum "Medien der Kontrolle nach sich" (S. 35). Der Aufsatz fragt nach historischen Modi und gegenwärtigen Formen der Erfassung von Arbeit, betont die Rolle, die Medien für die Geschichte der Arbeit respektive ihrer Kontrolle spielen und nimmt so die "Modi behavioreller Macht" (S. 25) in den Blick.
Büttner und Raczkowski blicken im darauffolgenden Beitrag "Spielend regiert werden. Zu Medien unternehmerischer Gouvernementalität am Beispiel von LEGO Serious Play" (S. 37–54) auf eine Beratungspraktik bzw. Methode, die von der Firma LEGO selbst vermarktet wird und auf der angeleiteten Verwendung von Legosteinen basiert. Der Aufsatz erkundet, wie Beratungspraktiken unterschiedliche Medien nutzen und auf verschiedene Wissensbestände zugreifen, um den Beratungsprozess "zu strukturieren und ihn so […] regierbar zu machen" (S. 38). Im Rückgriff auf Überlegungen der Gouvernementalitätstheorie und das Affordanzkonzept wird hier gezeigt, wie LEGO Serious Play "als ein gouvernementaler […] Zugriff auf Spielzeug, Spiel und Spielende" (S. 54) wirksam wird.
Laura Niebling beschäftigt sich im Beitrag "Ein preiswerter 'guter Geist'": Eine kleine Geschichte der medizinischen Bürokratisierung am Beispiel der computerisierten 'Arzthelferin' in der BRD, 1970–2000" (S. 55–73) mit der Digitalisierung westdeutscher Ordinationen ab 1970. Dabei nimmt der Aufsatz die Verbindung aus medizinischer Fachkraft und dem Medium Computer sowie damit verbundene Veränderungen medizinischer Arbeitsumgebungen und die Entwicklung einer "Bürokratie der Medizin" (S. 56) in den Blick. Nachvollzogen werden so Aspekte einer "medizinischen Digitalisierungsgeschichte" (S. 73).
Johannes Coughlan schlägt im Beitrag "Eine Objektökologie des Architekturbüros" (S. 75–94) eine "methodologische Perspektive" (S. 76) vor, die es ermöglicht, das Architekturbüro als Arbeitsumgebung in den Blick zu nehmen, ohne dabei Analogien zu anderen Räumen ziehen zu müssen (vgl. S. 76). Das in diesem Sinne entwickelte Konzept der "Objektökologie" ermöglicht es dem Aufsatz, anhand von zwei konkreten Gegenständen – der Magnetwand und dem Skizzenpapier – herauszuarbeiten, wie verschiedene Objekte das Arbeitsumfeld Architekturbüro hervorbringen. Dieses erscheint hier als "ein Zusammenhang aus Objekten, der in spezifischen, lokalen Praktiken zusammengesetzt wird" (S. 93).
Beim vorletzten Beitrag des Bandes handelt es sich um ein Gespräch zwischen dem Medien- und Kommunikationswissenschaftler Andreas Wagenknecht und dem Architekten Jörn Wächtler, der bei Adidas arbeitet und sich "mit der Zukunft von Arbeit und Arbeitsorten beschäftigt" (S. 95). Basierend auf Wagenknechts Fragen entwickelt sich ein Gespräch, in dem sich die Sprechenden vielfältig mit Arbeitsumgebungen, der Büroarbeit sowie ihrer Gestaltung und Strukturierung auseinandersetzen (S. 95–111).
Das Heft endet mit dem Beitrag "#officehumor. Verhandlungen eines kollektiven Erfahrungsraums in Büro-Memes auf TikTok" (S. 113–132) von Jana Zündel. Der Aufsatz beschäftigt sich mit "Büro-Memes" auf TikTok. Darunter versteht Zündel nur solche TikTok-Beiträge, "die das Office Setting reproduzieren und die dort stattfindenden Handlungen vorführen" (S. 114). Gefragt wird hier danach, wie das Büro medial vermittelt wird. Die untersuchten Büro-Memes erscheinen dabei nicht nur als Verfahren, die fortwährend an der Darstellbarkeit von Büro- und Arbeitsalltag mitwirken, vielmehr tragen sie auch "zum Erhalt und zur (Selbst-)Legitimierung von Büro-Arbeitsumgebungen bei" (S. 116).
Das von Büttner und Raczkowski herausgegebene Heft leistet mit seinen spezifischen Anliegen, Interessen und Thesen einen wertvollen Beitrag zur gegenwärtigen Forschung der Medienkulturwissenschaft. Der Band liefert Erkenntnisse, die vielfältige Einsätze für weitere (medien-)wissenschaftliche Auseinandersetzungen ermöglichen. Er macht die für medienkulturwissenschaftliche Arbeiten immer schon zentrale Frage nach der Rolle und Funktion von Medien stark und bringt dabei eine dezidiert kritische Sichtweise auf gegenwärtig wirksame Politiken der vielschichtigen Arbeitsumgebung Büro in Anschlag. Die unterschiedlichen Verfasstheiten des Büros, die Transformationsprozesse, die es als Arbeitsumgebung immer wieder neu strukturieren und verfertigen, sowie die medialen Bedingungen der Büroarbeit erhellt der Band auf eindrückliche Weise.
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