Fransceso Bono, Paolo Caneppele, Günter Krenn (Hg.): Elektrische Schatten. Beiträge zur Österreichischen Stummfilmgeschichte.

Wien: Filmarchiv Austria 1999. ISBN 3-901932-02-X. Preis: ATS 198,-

Autor/innen

  • Johannes Penninger

Abstract

Die überaus rührigen Paolo Caneppele und Günter Krenn - Mitarbeiter des Filmarchivs Austria - sowie Francesco Bono - Filmkritiker und Historiker aus Rom - sind die Herausgeber eines weiteren lesenswerten Bandes der Schriftenreihe des Filmarchivs. Die österreichische Stummfilmgeschichte ist eine der interessantesten und gleichzeitig am wenigsten erforschten Perioden heimischen Filmschaffens; zu keiner anderen Zeit war der österreichische Film vermutlich international erfolgreicher als in diesen Tagen der Pioniere. Ernst Kieninger - der Leiter des Filmarchivs - weist in seiner knappen Einleitung bereits darauf hin, dass der Titel durchaus zweideutig verstanden werden kann: Einerseits bezeichnen "Elektrische Schatten" oder "Lebende Photographien"die stummen Filme kurz nach der Jahrhundertwende, andererseits spiegelt der Titel auch die Forschungssituation in Österreich wider, die zu dieser Thematik noch in den Anfängen steckt.

Die meisten der insgesamt zehn Artikel nähern sich dem Thema über Leben und Werk einzelner Filmpioniere. Dieser biographische Ansatz ist für eine Periode, deren Filme längst in Vergessenheit geraten sind und in keiner Weise heutigen Spielfilmstandards gerecht werden, die geeignetste Methode. Überzeugend wird Film als Werk eines Auteurs dargestellt und eine Epoche skizziert durch die Visionen - und knochenharte Arbeit - einzelner Pioniere. Markus Nepf stellt die wahren Pioniere des österreichischen Films Anton Kolm, Louise Veltée und Jakob Fleck und deren wichtige, heute aber in Vergessenheit geratene Aufbauarbeit während der Stummfilmzeit vor. Das Trio drehte die ersten Spielfilme Österreichs, darunter befindet sich auch der erste erhaltene österreichische Spielfilm: Der Müller und sein Kind (1911).

Die bekannteste Figur jener Tage aber - und nicht ganz korrekt als der Filmpionier schlechthin in die österreichische Filmgeschichte eingegangen- ist Alexander ("Sascha") Kolowrat-Krakowsky, Gründer der legendären Sascha-Film, der neben vielem anderen auch den Mythos des erfolgreichen Filmproduzenten kultivierte. Lebensweg und filmisches Schaffen rekonstruiert Günter Krenn in seinem Artikel Der bewegte Mensch - Sascha Kolowrat.

Gleich zwei Artikel beschäftigen sich mit dem jungen Ungarn Mihály Kertész, später Michael Kertész, der seine Lehrjahre in Wien verbracht und als Michael Curtis in Hollywood den Klassiker Casablanca gedreht hat.

Ein ausführlicher Artikel ist dem Schriftsteller und Herausgeber Hugo Bettauer gewidmet, dessen Roman Stadt ohne Juden (verfilmt 1924) eine frühe Mahnung gegen antisemitische Tendenzen darstellt und der große politische Diskussionen - um das Wort "Skandal" zu vermeiden - auslöste.

Einen Abriss der österreichischen Filmwirtschaft zur Stummfilmzeit liefert Francesco Bono. In seiner lesenswerten Einführung beschreibt Bono die Zeitspanne von den ersten Wanderkinos bis zu den zerschlagenen Träumen, ein Hollywood an den "Ufern der Donau" entstehen zu lassen, was damals durchaus im Bereich des Möglichen lag und nicht nur als verrückte Vision abgetan werden.

Daniela Sannwald (Die Wien-Berlin-Achse) und Vittorio Martinelli (Exporte nach Italien) beschreiben internationale Wechselwirkungen und Beziehungen des österreichischen Films und einzelner Filmschaffender.

Caneppeles und Krenns methodologische Betrachtungen zur Situation der Stummfilmforschung runden den Band ab.

Elektrische Schatten - Beiträge zur österreichischen Stummfilmgeschichte ist eine wichtige Neuerscheinung der Filmforschung in Österreich und ein wesentlicher Baustein für das Fundament der österreichischen Filmgeschichte - ausgesprochen lesenswert und dank ansprechender Preisgestaltung auch erschwinglich.

Die Fachzeitung Media-Biz hat Recht, wenn sie in ihrer Ausgabe 11/99 meint: "Die Zusammenarbeit internationaler Historiker führt zu dem vorliegenden Buch, das erstmals fundiert zu einer Auseinandersetzung mit dem filmischen Erbe beiträgt - ein erhellendes, spannendes Lese-Bilder-Buch."

Autor/innen-Biografie

Johannes Penninger

Geboren in Bregenz, aufgewachsen in Feldkirch. Studium der Publizistik- und Theaterwissenschaft in Wien. Seit 1998 Mitarbeit bei der Zeitschrift Maske und Kothurn.

Veröffentlicht

2002-05-06

Ausgabe

Rubrik

Film