Günter Krenn, Romy Schneider. Die Biografie.

Berlin: Aufbau 2008. ISBN 978-3-351-02662-2. 415 S. Preis: € 25,70.

Autor/innen

  • Elisabeth Streit

Abstract

Ja, es ist wieder soweit. Im September dieses Jahres, um exakt zu sein, am 23. 09. 2008, jährte sich zum 70. Mal der Geburtstag der 1982 jung verstorbenen Schauspielerin. Ihr viel besprochenes, von Höhen und Tiefen gezeichnetes, mit Überschwang, Spott und Häme kommentiertes kurzes Leben war und ist immer wieder für Publikationen gut. Die Fülle der bislang erschienenen Titel ist groß. Stets wird erneut versucht, Romy Schneiders Lebensgeschichte zu erzählen. Aber in den allermeisten Fällen wird doch nur wieder Bekanntes neu verpackt. Das im Berliner Aufbau-Verlag herausgegebene Buch des Wiener Autors Günter Krenn mit dem schlichten Titel Romy Schneider. Die Biografie macht dabei eine wohltuende Ausnahme.

Vielstimmiges Erzählen

 

Schon auf den ersten Seiten wird deutlich, dass es der Autor tunlichst vermeidet, sich auf das dünne Eis von Spekulationen und Deutungen, die zumeist ins Nichts führten, zu begeben. Vielmehr webt er ein dichtes Gespinst aus Fakten und filmhistorischen Betrachtungen, lässt lebende KollegInnen, wie Gertraud Jesserer und Peter Weck, in Interviews zu Wort kommen und vermischt dies versiert mit Zitaten aus anderen Autobiografien von Schauspielerinnen, wie der von Romy Schneiders Großmutter Rosa Albach-Retty, oder den scharfsinnigen Überlegungen Hildegard Knefs, des ersten deutschen Nachkriegsstars.

Gekonnt verlässt Günter Krenn den klassischen biografischen Rahmen ab dem Zeitpunkt, wo die junge Romy Schneider ins Filmgeschäft einsteigt, weil er ihr Leben und Werk ins Spannungsverhältnis zu ihrer Arbeit als Schauspielerin stellt und über filmhistorische Betrachtungen sowie politische Verhältnisse weitererzählt. Durch diesen fast unmerklichen, klug gewählten Schachzug kann sich der Autor einerseits jenseits der Schneider'schen Biografie-Trampelpfade bewegen und ermöglicht andererseits, der Person und Schauspielerin Romy Schneider mehr Raum zu geben und neue Facetten in ihren Darstellungen herauszuarbeiten. Vor allem lässt er sich nicht durch das 'bigger than life'-Image Romy Schneiders in erzählerische Schranken weisen: Immer wieder werden ihre Filmrollen innerhalb gesellschaftspolitischer Kontexte untersucht, darüber hinaus beschreibt Günter Krenn detailliert ihre Versuche, in der amerikanischen und englischen Filmproduktion Fuß zu fassen. Versuche, die sie aber bald wieder aufgibt. Sie weiß intuitiv, dass ihre Zukunft woanders liegen muss.

 

A star is born

 

Als im Jahr 1953 das junge, unverbrauchte Gesicht Romy Schneiders in ihrem Filmdebüt Wenn der weiße Flieder wieder blüht (R: Hans Deppe) auf der Leinwand auftaucht, wird sie vorerst ausschließlich als Tochter der viel beschäftigten Magda Schneider wahrgenommen. Der Vater Romy Schneiders, der ebenfalls beliebte Schauspieler Wolf Albach-Retty – Magda Schneider und er waren das mustergültige Liebespaar in der nationalsozialistischen Filmproduktion Deutschlands –, hatte sich zu diesem Zeitpunkt schon längst von der Ehe und den Kindern verabschiedet.

Erfrischend anders sind ihre Mädchendarstellungen zweifelsohne bis heute geblieben, da das deutsche Unterhaltungskino dieser Dekade oft schrill, übertrieben sentimental/emotional daherpoltert, unentwegt darauf bedacht, die Grauen des Nationalsozialismus und die Angespanntheit des Kalten Krieges durch übertrieben groteskes Spiel zum Verstummen zu bringen. Die fehlende schauspielerische Ausbildung, die ihre Zweifel an der eigenen Professionalität ein Leben lang nährt, ersetzt sie durch beherztes, von Emotionen getragenes Spiel und harte Disziplin. "Sie nimmt die Herausforderung ernst, arbeitet besessen, wird während der Studioarbeit mehrmals vor Erschöpfung ohnmächtig." (S. 117) Stets unter dem wachsamen, strengen Auge der ehrgeizigen Mutter – die beiden werden bis zu Romy Schneiders Weggang nach Frankreich in sämtlichen Filmen miteinander spielen – kann sie sich auf ihre Rollen konzentrieren, während die Mutter alle Geschäfte regelt. 1955 wird sie durch den ersten Teil der Sissi-Trilogie (R: Ernst Marischka) praktisch über Nacht zum Superstar. "Durch den Kult um die Sissi-Filme von Ernst Marischka entsteht ein neues Interesse an der historischen Figur, die sich als vielschichtig-faszinierende, tragische Persönlichkeit offenbart. Nur eine kurze Zeit glaubt Schneider daran, dass sie eine Identifizierung ihrer Person mit Sissi werde vermeiden können." (S. 74) Dieser Irrtum, der die Schneider ein Leben lang verfolgte, wurde in Interviews immer wieder von ihr thematisiert, denn das Publikum wünschte sich seit den 50er Jahren stets dasselbe süße, ungestüme Mädchen, ungeachtet ihrer weiteren künstlerischen Entwicklungen. Eine Emanzipation von ihrer prägendsten Rolle wird dadurch ins Niemals verschoben.

 

Danach hätte es schön sein müssen

 

1958 lernt Romy Schneider bei den Dreharbeiten zu Christine (R: Pierre Gaspard-Huit) Alain Delon kennen und lieben. "Christine sollte für Romy Schneider in jedem Fall unvergesslich bleiben, denn der Film markierte den Beginn jener Beziehung, die Romy Schneiders weiteres Leben maßgeblich bestimmen sollte. Dieser Beginn hat tatsächlich beinahe etwas Operettenhaftes, ja, er könnte der Dramaturgie ihrer bisherigen Filme entsprungen sein." (S. 119) Frankreich wird bis zu ihrem Lebensende ihre eigentliche Heimat bleiben, da sie sich durch ihre Gestaltung bürgerlich-ambitionierter Frauenportraits einen fixen Platz neben den weiblichen Stars der Nouvelle Vague erarbeitet sowie veritable Anerkennung bei der Kritik und vor allem beim Publikum verdient.

Stilsicher und ohne lähmende oder störende Erörterungen ihres Berufs- und Privatlebens – so werden spekulative Anmerkungen über ihre Liebesverhältnisse bewusst vermieden – und ohne laienpsychologische Deutungen ihrer psychischen Konstitution bleibt diese Biografie gut lesbar und spannend bis zum Ende. Äußerst gelungen finde ich das Schlussbild, welches Günter Krenn für sein Buch findet: Der Autor gibt den LeserInnen den berühmten Satz der sterblichen Fee Wendy aus dem Entwicklungsverweigerungsklassiker Peter Pan mit auf den Weg, der paradigmatisch für Romy Schneiders Karriere und Leben stehen könnte: "Never is an awfully long time – Niemals ist eine furchtbar lange Zeit." (S. 354) In Romy Schneiders lebenslangem Streben, dem Vakuum des Niemals und dem Rollenklischee von Sissi zu entfliehen, beendete tragischerweise erst der Tod diese furchtbar lange Zeit.

Autor/innen-Biografie

Elisabeth Streit

Elisabeth Streit ist Bibliothekarin und Filmvermittlerin im Österreichischen Filmmuseum. Mitarbeiterin bei kinoki/Verein für audiovisuelle Selbstbestimmung.

Publikationen:

(Auswahl)   Elisabeth Streit, "Nein, nein, ich will das bleiben, was ich bin. Ein Auftritt in Wien". In: Sprache der Liebe. Asta Nielsen, ihre Filme, ihr Kino 1910–1933. Hg. v. Heide Schlüpmann u. a. Wien: Filmarchiv Austria 2010.   –, "En miniature – Joe Berger im Film". In: "Denken Sie!" – Interdisziplinäre Studien zum Werk Joe Bergers. Hg. v. Julia Danielczyk/Thomas Antonic. Klagenfurt: Ritter 2011.   –, "Spektakel & Selbstermächtigung". In: an.schläge. Das feministische Magazin (Heft 07-08/11). Wien 2011, S. 20f.

Veröffentlicht

2008-09-15

Ausgabe

Rubrik

Film