Al Bundy. "Eine schrecklich nette Familie." Das große Buch für Fans.

(Berlin: Schwarzkopf & Schwarzkopf, o. J.). 200 Seiten, Großformat, gebunden. Mit 250 Abbildungen. ISBN 3-89602-118-4. Preis: DM 38,-

Autor/innen

  • Wolf Huber

Abstract

Der größte Verlierer aller Zeiten

Er arbeitet in einem Schuhladen und ist trotzdem nicht froh, nach Hause zu kommen: Al Bundy ist das personifizierte Elend. Sein Leben als Damenschuhverkäufer betrachtet er "als langsames Sterben zum Mindestlohn".

Seine Frau Peggy lümmelt den ganzen Tag auf der Couch und weigert sich, für die Familie zu kochen. Tochter Kelly, die "Dumpfbacke", ist zwar bildhübsch, aber auch strohblöd und vertreibt sich ihre Zeit auf Autorücksitzen. Sohn Bud ist Kellys Gegenteil. Er ist schulisch erfolgreich, kassiert beim anderen Geschlecht aber einen Korb nach dem anderen. Al weiß: Seine Familie ist der Vorhof zur Hölle. Mehr als sein eigenes Leben haßt er nur seine Nachbarin Marcy, die ihn ständig an ein Hühnchen erinnert. Halt in seinem Leben geben ihm die Erinnerung an seine vier Touchdowns in einem High-School-Football-Spiel, seine Edeltoilette der Marke "Ferguson" und seine No Ma'am-Freunde ("National Organisation Men Against Amazonian Masterhood").

Elf Jahre und 259 Folgen lang war Married ...with children eine der erfolgreichsten Sit-Coms in Amerika. Auch im deutschsprachigen Raum schlug Al Bundy mit etwas Verspätung wie eine Bombe ein. Eine schrecklich nette Familie, der deutsche Titel der Serie, ist auch in der x-ten Wiederholung ein Dauerbrenner. Al Bundy ist der größte Anti-Held der Fernsehlandschaft. Der ewig erfolglose Damenschuhverkäufer, der notorische Angeber (Al-"Vier Touchdowns in einem Spiel"-Bundy), der Sexmuffel und Brüsteliebhaber ist längst eine Fernsehlegende.

Der Berliner Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf widmet dem amerikanischen Schuhverkäufer in seinem herrlich kunterbunten Programm einen Bildband Al Bundy. "Eine schrecklich nette Familie." Das große Buch für Fans, herausgegeben von Frank Goyke und mit einem Beitrag von Horst Bosetzky (alias -ky).

Mit Horst Bosetzkys Beitrag beginnt auch das große Al Bundy Fanbuch, und es wundert nicht, daß ein deutschsprachiges Werk über ein populäres Thema mit der Erklärung eröffnet, warum Al Bundy zurecht eine Kultserie und zudem gesellschaftlich höchst wertvoll ist. Die unglaubliche Spielzeit von elf Jahren, Millionen von Fans in der westlichen Welt und Rekordumsätze genügen anscheinend immer noch nicht, um im deutschsprachigen Raum als "seriöses" Thema gewertet zu werden. Bosetzky versucht, mittels fünf Thesen zu begründen, daß es "für einen echten deutschen Intellektuellen und klammheimlichen Anarchisten ein normales Verhalten ist, sich Eine schrecklich nette Familie anzusehen" (These 4). Abschließend referiert er vier sozialwissenschaftliche Effekte (den Definitions-, den Innovations-, den Ventil- und den Solidarisierungseffekt), um die "staats- und gesellschaftserhaltende" Funktion dieser Serie zu untermauern. Bosetzky hat mit all seinen Aussagen recht und dennoch stößt sein einleitendes Essay sauer auf. Der Al Bundy-Band ist kein wissenschaftliches Werk, sondern laut Untertitel Das große Buch für Fans, und der wahre Fan muß sich vor allem eines nicht: rechtfertigen! Der Fan, der dieses Buch kauft, will keine Erklärungen, warum Al Bundy eben doch wichtig und sogar "gesellschaftserhaltend" ist, er will Al Bundy sehen, sich an die Serien erinnern, Hintergrundinformationen erhalten, mit einem Wort: Er will noch einmal herzhaft lachen können. Seine Leidenschaft für Al Bundy muß er nicht hinter wissenschaftlichen Thesen verstecken, er steht ganz einfach zu seinem Lieblings-Damenschuhverkäufer. In diesem Sinne ist Bosetzkys Beitrag, der in einem wissenschaftlichen Werk gut untergebracht wäre, in dem Großen Buch für Fans überflüssig, auch wenn er versucht, einen populären Jargon zu treffen und Minna von Barnhelm und den Zerbrochenen Krug gleich zu Beginn als "unendlich langweiligen Scheiß" abtut.

Danach folgen die für den Fan wesentlichen Teile des Buches. Alle Staffeln und Folgen im Überblick sind ebenso vorhanden wie Informationen zu allen Schauspielern, zu deren Rollen und besten Sprüchen sowie den wichtigen Bundy-Themen Der Dodge; Buck, der dümmste Hund der Welt; No Ma'am, wie Männer um ihre Rechte kämpfen und ganz essentiell Al Bundy's 10 Gebote, deren Clou darin besteht, daß es nur neun Gebote sind. Ein ausgewählter Pressespiegel und ein nach Produktionsnummern geordneter Folgen-Index mit amerikanischen und deutschen Titeln sowie dem Datum der amerikanischen Erstausstrahlung runden den Band ab.

Auf 200 Seiten findet der Fan 250 zum Teil großartige SW-Photos. Dieses Verhältnis verweist aber auch darauf, daß die Textpassagen äußerst knapp gehalten sind. Mehr Information wäre an vielen Stellen wünschenswert. Unverzeihlich ist jedoch, daß keine Hintergrundinformationen enthalten sind. Wie ist die Serie entstanden? Wer sind die geistigen Väter von Al Bundy? Wer hat die Serie produziert, geschrieben und inszeniert? Gibt es Querverweise und Verbindungen zu anderen Serien? Alle Fragen, die den inhaltlichen Kontext der einzelnen Folgen sprengen, werden leider nicht beantwortet.

Wie würde Al Bundy sagen: "Es ist absolut unmöglich, daß ein Bundy mit irgend etwas Erfolg hat." Ganz so streng muß man mit dem Großen Buch für Fans allerdings nicht verfahren. Es macht Spaß, im reich bebilderten Band zu schmökern und sich die eine oder andere Folge wieder in Erinnerung zu rufen. Allein das Sehen und Zusammenfassen aller Folgen muß eine zeitraubende, wenn auch höchst unterhaltsame Arbeit gewesen sein. Al Bundy. "Eine schrecklich nette Familie." Das große Buch für Fans ist eine leichte, angenehme Kost, sympathisch zusammengestellt, aber kein wirklich gelungener Wurf wie zum Beispiel das ebenfalls bei Schwarzkopf & Schwarzkopf erschienene Fanbuch Columbo.

Zu Beginn des Buches wird Al Bundy folgendermaßen zitiert: "Ich wollte es, ich brauchte es, ich hatte es verdient. Wie anders hätte es also laufen sollen, als daß ich es nicht bekomme?" Deshalb widmet Herausgeber Frank Goyke dieses Buch allen Bundys dieser Welt, die dennoch nicht ganz glücklich sein werden. Aber wie meint Al Bundy weiter: "Der Bundy-Fluch: Sobald ein Bundy anfängt Glück zu haben, baut er auch die gleiche Portion Pech auf."

Autor/innen-Biografie

Wolf Huber

Geboren in Feldkirch. Studium der Theaterwissenschaft und Publizistik. Lebt in Wien.

Veröffentlicht

2000-01-20

Ausgabe

Rubrik

Medien