Franz Endler: Johann Strauß. Um die Welt im Dreivierteltakt.

(Wien: Amalthea, 1998). 398 Seiten. ISBN 3-85002-418-0. Preis: ATS 350,-

Autor/innen

  • Mathias Spohr

Abstract

Die vorliegende Biographie bemüht sich, Legenden zu hinterfragen, die – von dessen Witwe überaus befördert – den Werdegang des Komponisten Johann Strauß Sohn beschönigend umranken. Gewiß ist Geschichte immer etwas Konstruiertes, und Legenden haben neben Fakten, die sich ebenfalls selten ohne Interpretation darstellen lassen, auch ihre Berechtigung.

Das Bild, das in Endlers Biographie von Johann Strauß Sohn gezeichnet wird, erinnert an zahllose andere erfolgreiche Persönlichkeiten, die sich ihren Aufstieg, so genial sie gewesen sein mochten, doch mit Durchsetzungsvermögen und beharrlicher Arbeit erkämpfen mußten. Strauß wird als eigensinniger, nicht selten egoistischer und tyrannischer Mensch gezeichnet, der sich selbst seinen Brüdern gegenüber nicht immer fair verhalten habe, im Privaten jedoch hilflos und auf mütterlich umsorgende Frauen angewiesen gewesen sein soll. Gerade in einer solchen Darstellung, die auf Unsachliches zu verzichten versucht, wird besonders deutlich, wie wenig Gesichertes letztlich über Johann Strauß bekannt ist, der – ganz wie es die Öffentlichkeit von ihm erwartet hat – gewohnt gewesen ist, sich hinter einer planmäßig aufgebauten äußeren Erscheinung zu verbergen.

Neben dem "Walzerkönig" kommt auch der Musikdramatiker Strauß nicht zu kurz. Das Ringen um musikdramatische Werke – trotz Strauß' offensichtlichen Desinteresses an den Textbüchern und sogar fehlender Kenntnis der Dialoge – wird bis hin zu den Bühnenproben in seiner ganzen Widersprüchlichkeit dargestellt. Dabei zeigt sich, daß die Musiktheaterforschung immer noch nicht die geeignete Betrachtungsweise für das Wort-Ton-Verhältnis in der Operette gefunden hat. Denn die Parallelität in der Produktion von Text und Musik ohne allzu große gegenseitige Berührungen scheint eine generelle Vorgangsweise der Vorstadttheater gewesen zu sein, die erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts als problematisch empfunden worden ist.

Franz Endler ist ein sehr guter Kenner der Straußschen Musik, er behandelt Fragen der Arbeitsweise, der Instrumentation, der formalen Strukturierung einleuchtend im Kontext täglicher Praxis, und immer wieder finden sich treffende Einzelheiten: zum Beispiel die Feststellung, daß die kalauernden Wortverdrehungen in Strauß' Briefen deshalb an diejenigen Mozarts erinnern, weil sich in ihnen der ständige Zwang zur Abwandlung musikalischer Motive spiegelt. Hilfreich ist überdies das ausführliche Werkverzeichnis im Anhang.

Autor/innen-Biografie

Mathias Spohr

Schauspielschule, Bühnenmusiker, Studium der Musik- und Literaturwissenschaft mit Spezialisierung auf das populäre musikalische Theater des 18. bis 20. Jahrhunderts. 1992-96 Redaktion von Pipers Enzyklopädie des Musiktheaters im Forschungsinstitut für Musiktheater der Universität Bayreuth.

Veröffentlicht

2000-01-20

Ausgabe

Rubrik

Theater