Deutschsprachiges Theater in Prag. Begegnungen der Sprachen und Kulturen.

Hg. v. Alena Jakubcová, Jitka Ludvová, Václav Maidl. Prag: Divadelní ústav 2001. 511 S. ISBN 80-7008-111-2. Preis unbekannt.

Autor/innen

  • Katharina Wessely

Abstract

Der Sammelband Deutschsprachiges Theater in Prag. Begegnungen der Sprachen und Kulturen, herausgegeben vom Prager Theaterinstitut, ist aus einem internationalen Kolloquium hervorgegangen, das im Juni 2000 in Prag zu eben diesem Thema stattgefunden hat. Der Band stellt gleichsam ein Who is who der Theaterforschung zu diesem Thema dar. Besonders erwähnenswert ist in dem Zusammenhang die Internationalität der BeiträgerInnen. Neben Forschern und Forscherinnen aus Tschechien finden sich auch WissenschaftlerInnen aus Deutschland, Österreich und der Slowakei. Diese grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist gerade bei diesem Thema besonders wichtig. Aufgrund der geschichtlichen Entwicklung der deutschsprachigen Theater in Böhmen und Mähren (aber auch in der Slowakei), zu der relevante Quellen sowohl in Prager als auch in Wiener oder Berliner Archiven zu finden sind, ist die gemeinsame Forschung unerläßlich. Nur vor dem Hintergrund der verschiedenen nationalen Theatergeschichten wird die spezifische Geschichte des deutschsprachigen Theaters in Prag sichtbar.

Der Band ist, dem Kolloquium folgend, thematisch in drei Teile gegliedert. Der erste Abschnitt befaßt sich mit dem Themenkomplex Theater und Nation, ein Gebiet, das gerade wenn es um Minderheitentheater in einem Nationalstaat geht, sehr spannend ist. Die Tatsache, daß gerade dazu nur fünf Beiträge vorhanden sind, spiegelt auch den Stand der Forschung wider - die Beschäftigung mit den Zusammenhängen von politischen Konzepten und Theater, mit der Rolle, die Theater im sogenannten "Volkstumskampf" der beiden Nationalitäten gespielt hat, steht erst an ihren Anfängen.

Der zweite, weitaus längste Teil behandelt verschiedene Beispiele aus dem Bereich des Musik- und Sprechtheaters. Gerade hier werden die unterschiedlichen inhaltlichen Schwerpunktsetzungen und Erkenntnisinteressen deutlich. Der behandelte Zeitraum erstreckt sich vom 16. Jahrhundert bis in die Zwischenkriegszeit, Sprechstück, Musik- und Tanztheater, auch Film stehen zur Debatte. Doch auch das ist ein Spiegel der Forschungslage: Man findet kaum Monografien zum Prager Deutschen Theater, geschweige denn zu anderen deutschsprachigen Theatern der Tschechoslowakischen Republik; Beiträge zu diesem Thema erscheinen im Normalfall sehr verstreut, gerade deshalb ist diese Aufsatzsammlung, die die Arbeiten verschiedenster WissenschaflerInnen zusammenträgt, so wichtig.

Besonders hervorheben möchte ich den dritten Teil des Bandes, der den Titel Quellen - Forschungen - Projekte trägt. Diese Beschäftigung mit der aktuellen Forschung, die hinausgeht über die Präsentation bereits gewonnener Ergebnisse und die Arbeit mit dem Material in den Mittelpunkt stellt, kommt in den meisten wissenschaftlichen Publikationen zu kurz. Im vorliegenden Band werden nun nicht nur Quellenforschungen präsentiert, sondern es werden auch konkrete Materialien einzelner Archive vorgestellt. Darüber hinaus wird sehr verdienstvoll der Versuch unternommen, eine Zusammenstellung der Spielstätten des deutschsprachigen Theaters in Prag und dazugehörige Quellen vorzulegen. Es existieren hiermit zumindest einmal Angaben darüber, in welchen Archiven und Forschungsstätten Material diesem Thema aufzufinden ist; zukünftigen ForscherInnen wird somit ein Ausgangspunkt für ihre Arbeit ermöglicht. Wünschenswert wäre allerdings eine Ergänzung dieser Sammlung durch entsprechende Angaben zu österreichischen und deutschen Archiven. Mit dem Band Deutschsprachiges Theater in Prag liegt eine interessante Zusammenschau der verschiedenen Forschungsansätze vor, die auch die noch vorhandenen Forschungslücken nicht verschweigt.

Autor/innen-Biografie

Katharina Wessely

Studium der Theaterwissenschaft, Geschichte und Philosophie an der Universität Wien, promovierte mit einer Arbeit über das deutschsprachige Theater im Brünn der Zwischenkriegszeit, 2006-2009 Lektorin der Österreich-Kooperation am Institut für Germanistik an der Philosophischen Fakultät der Masaryk Universität Brno. Derzeit freie Wissenschaftlerin in Basel, Lehrbeauftrage am Institut TFM der Universität Wien.

Veröffentlicht

2002-12-23

Ausgabe

Rubrik

Theater