DEFA-Stiftung Berlin (Hg.), Puppen im DEFA-Animationsfilm.
Berlin: Verlag der DEFA-Stiftung 2006. ISBN 3-00-018155-5. 120 S. Preis: € 8,-.
Abstract
2005 hätte das DEFA-Trickfilmstudio Dresden seinen 50. Geburtstag gefeiert. In der 37-jährigen Schaffensphase dieses Studios entstanden zahlreiche Filme für Kinder und Erwachsene. In allen möglichen Animationstechniken, die sich LiebhaberInnen des Genres nur vorstellen mögen, wurden Figuren mit Leben erfüllt, Die Bremer Stadtmusikanten als Silhouetten, die Figuren aus Goethes Novelle in Meißner-Porzellan, Die kluge Bauerntochter aus grob geknetetem Ton. Die Filme des DEFA-Trickfilmstudios wurden nicht nur bundesweit, sondern auch international gern gesehen.
Zur Hochzeit arbeiteten 240 Menschen im Betrieb, davon 150 im künstlerischen Bereich – Bruno Böttge, Marion Rasche, Achim Freyer, Martina Großer und Jörg d’Bomba sind nur einige der KünstlerInnen, welche in Sachen Regie, Dramaturgie, Puppenbau und Ausstattung animierende Filmarbeit leisteten.
Was die Politik des Studios betraf, so musste per Gesetz dem Willen des Staates Genüge getan werden, vor allem wenn es darum ging, "die Bildung und Erziehung der jungen Generation zu wertvollen sozialistischen Persönlichkeiten" (S. 12) zu gewährleisten. Satiren für Erwachsene waren von der Zensur unerwünscht, selbstverständlich fanden die FilmemacherInnen aber Mittel und Wege, in subtilen Andeutungen Unerwünschtes zumindest zu skizzieren. 1981 kam mit Lutz Dammbecks Einmart die inhaltliche Zäsur – die Kritik am System wurde deutlich.
Mit Puppen im DEFA-Animationsfilm (Puppets in DEFA Animation Films) widmet die DEFA-Stiftung dem Trickfilmstudio in Dresden einen zweisprachigen Ergänzungsband zu einer vom (ebenfalls in Dresden ansässigen) Deutschen Institut für Animationsfilm (DIAF) kuratierten Ausstellung mit dem Titel "Puppen im Film". Texte mit unterschiedlichen Zugängen charakterisieren deutsche Filmgeschichte, historische Fakten und persönliche Erinnerungen von MitarbeiterInnen des DEFA-Trickfilmstudios zeichnen ein Bild jener Tage, in denen sich Bruno Böttge noch mit dem Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht darüber stritt, ob der Scherenschnitt als künstlerische Form für den Film der Deutschen Demokratischen Republik denn nun zu bürgerlich sei oder nicht.
Sabine Scholze eröffnet mit einer "Kleinen Geschichte des DEFA-Studios für Trickfilme Dresden". Die Geschäftsführerin des Deutschen Instituts für Animationsfilm zeichnet einen informativen Bogen der Entwicklung des DEFA-Trickfilmstudios von der Gründung 1955 bis zur Schließung 1992. Scholze gibt unter Berücksichtigung der historischen Fakten einen Einblick in Philosophie und Arbeitsweise des Studios: Schon nach dem Zweiten Weltkrieg produzierte die DEFA auf dem ehemaligen Arbeitsgelände der Boehner-Film in Dresden-Gorbitz populärwissenschaftliche Filme, die allerdings keinen reißenden Absatz fanden. So wurde 1955 von Seiten der Verantwortlichen beschlossen, auf Trickfilm umzusatteln. In kurzer Zeit vergrößerte sich der Stab der MitarbeiterInnen um ein Vielfaches, es gab Pläne, das Studio auszubauen, und an der Dresdner Hochschule für Bildende Künste wurde ein Studiengang für Animationsfilm eingerichtet. Politische Ereignisse wie der Bau der Berliner Mauer und die Kubakrise verhinderten eine Expansion des Studios, der erste Jahrgang des ins Leben gerufenen Studiengangs für Animationsfilm sollte der letzte bleiben. Nach dem Zusammenschluss von Ost- und Westdeutschland geht es mit dem DEFA-Trickfilmstudio schnell bergab – AuftraggeberInnen brechen weg, die Finanzierung aus Mitteln des Filmverleihs wird gestoppt, die Verantwortung für Subventionen liegt nun bei den Bundesministerien und Sabine Scholze stellt zu Ende ihres Artikels die berechtigte Frage, ob es von Seiten der Regierung überhaupt je ernsthafte Bestrebungen gegeben hat, das Studio zu erhalten. Seit 1993 kümmert sich das im selben Jahr gegründete DIAF um den Nachlass der "Trick-Fabrik", bestehend aus 1.500 Filmen, Unmengen an Puppen, Dekorationen, Requisiten, Zeichnungen, Dokumenten u.a.
Es folgen Artikel von Martina Großer und Jörg Hermann, beide ehemals im Studio für Trickfilm beschäftigt. Großer berichtet recht bündig über den Produktionsprozess eines Animationsfilms am Beispiel Anna, genannt Humpelbein (Regie: Franz Fühmann) aus dem Jahr 1989. Großer war verantwortlich für die Gesamtausstattung dieses Filmes und erinnert sich an die Dreharbeiten. Jörg Hermann geht in seinem Artikel "Wie bei der DEFA ein Trickfilm entstand" über Aufzählung und Erläuterung der einzelnen Etappen des Produktionsprozesses hinaus. Er versorgt die LeserInnen mit einer sehr klaren Definition des Puppentrickfilms und erläutert, was den Animationsfilm dem Realfilm gegenüber überlegen macht. Der Autor legt außerdem Wert darauf festzustellen, dass das DEFA-Trickfilmstudio mehr als Manufaktur zu betrachten sei denn als Industriebetrieb á la Disney. Sowohl der Artikel von Martina Großer als auch der Artikel von Jörg Hermann sind zuvor in anderen Publikationen erschienen.
Rolf Hofmann, Kameramann und Regisseur, macht sich "Gedanken zum Puppentrickfilm in Dresden heute" und bewirbt in erster Linie das gemeinsam mit Martina Großer 1991 gegründete Kollektiv "Hylas-Trickfilm Dresden", welches Puppentrickfilme für Kinder produziert und auch international vertreibt. Hofmann schließt seinen Artikel mit einem Plädoyer für den phantasievollen Kinderfilm.
Marion Rasche hat Gespräche mit Regisseurinnen und Regisseuren des DEFA-Trickfilmstudios geführt: Katja Georgi erläutert ihre "Ansichten zur Puppengestaltung" und erinnert sich an die Produktion der Filme Das Myrtenfräulein und Novelle. Kurt Weiler definiert den Unterschied zwischen Puppen- und Zeichentrickfilm und berichtet unter anderem über seine Zusammenarbeit mit Achim Freyer. Mit Monika Krauße-Anderson hat Rasche über deren Film Die kluge Bauerntochter gesprochen.
Schließlich gibt eine Filmographie mit kurzen Inhaltsangaben und den wichtigsten technischen und personellen Daten Aufschluss über die Filme, die in der Ausstellung "Puppen im Film" gezeigt worden sind, bevor ein sehr ansprechender Abbildungsteil mit 16 Farbfotos anschaulich macht, was zuvor in den Artikeln besprochen wurde. Daran schließt der englischsprachige Katalogteil an.
Alles in allem bietet der Band Puppen im DEFA-Animationsfilm einen übersichtlichen Einblick in die DEFA-Welt des deutschen Trickfilms und das Buch mag auch zu einem Ausstellungskatalog gereichen, zur vertiefenden wissenschaftlichen Lektüre ist diese Publikation allerdings nicht geeignet. Bis auf den von Sabine Scholze verfassten historischen Abriss bewegen sich die Beiträge der Publikation kaum über persönliche Erinnerungen ehemaliger MitarbeiterInnen hinaus. Diese geben zwar einen Einblick in die Aspekte der kreativen Produktion eines wichtigen Betriebes der deutschen Filmlandschaft, allerdings werden durch diese Herangehensweise annähernd 40 Jahre deutscher Filmgeschichte nur sehr verkürzt dargestellt.
Es empfiehlt sich daher, diese Publikation als ideale Ergänzung zu dem 2003 vom Deutschen Institut für Animationsfilm herausgegebenen Buch Die Trick-Fabrik. DEFA-Animationsfilme 1955 – 1990 zu lesen.
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